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Vorgestellt: Professor Borg-Laufs, Beirat bei Goldkind
Vorgestellt: Professor Borg-Laufs, Beirat bei Goldkind

Vorgestellt: Professor Borg-Laufs, Beirat bei Goldkind

Im Interview schildert Professor Dr. Michael Borg-Laufs, Beirat bei Goldkind, wie eine gute therapeutische Beziehung zu den Betroffenen gelingen kann, wie die Eltern integriert werden können und welche psychischen Grundbedürfnisse der Kinder erfüllt werden sollten.

Professor Michael Borg-Laufs.
Professor Michael Borg-Laufs.

Es war zwar der direkte Weg, aber keinesfalls ein stringent vorgezeichneter, der Professor Dr. Michael Borg-Laufs zur Kinder- und Jugendpsychologie führte, wie er sagt: Über die Erziehungsberatung und die Ausbildung zum Psychotherapeuten und einer Promotion kam er zur Wissenschaft und Lehre und ist heute einer der wesentlichen Gestalter:innen in Deutschland, wenn es um die Ausbildung von Psychotherapeut:innen für Kinder und Jugendliche geht. Als Supervisor betreut Michael Borg-Laufs derzeit annähernd 100 Fälle gleichzeitig, denn solange die angehenden Therapeut:innen noch keinen Abschluss haben, sind fachlich die Supervisor:innen für deren Fälle verantwortlich. Dies umfasst die gesamte Bandbreite an Fällen, in denen Kinder und Jugendliche therapeutische Hilfe benötigen: Krisen, Resignation und vielfältige, zum Teil schwerwiegende Situationen, in denen Kinder nicht weiterwissen und stecken bleiben.

„Für mich ist das eine sehr befriedigende Arbeit“, sagt Michael Borg-Laufs, „wenn man in äußerst komplexen Situationen helfen kann, dass Biografien gelingen.“ Privat haben er und seine Frau zwei Kinder adoptiert. Beide sind inzwischen erwachsen, eine seiner Töchter ist selbst Mutter. Elternsein und die berufliche Arbeit seien nicht vollständig voneinander zu trennen, sagt der Psychotherapeut heute, man lerne immer auch für das eine aus dem anderen Feld.

“Dass Biografien gelingen.”

Michael Borg-Laufs bezeichnet sich als „Zeitzeuge“ bei der Etablierung des relativ jungen Zweiges der Kinder- und Jugendlichenverhaltenstherapie, der in dieser Form erst seit 1999 so existiert. Damals war Professor Michael Borg-Laufs bei der Entwicklung des ersten Curriculums für Kinder- und Jugendpsychotherapeuten beteiligt, agierte als Fachgruppensprecher innerhalb der Deutschen Gesellschaft für Verhaltenstherapie und wirkte in verschiedenen Gremien, u.a. als Mitglied des Ausschusses Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie der Bundespsychotherapeutenkammer.

Die therapeutische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen sei weitaus komplexer als die Arbeit mit Erwachsenen, sagt Michael Borg-Laufs. „Man muss in der Lage sein, mit Menschen in verschiedenen Entwicklungsstufen in Beziehung zu treten und diese Beziehung kontinuierlich aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig müssen wir Therapeuten eine tragbare Beziehung zu den Eltern aufbauen.“ Das führe durchaus des öfteren zu Wechselwirkungen, wenn die Klienten oder auch deren Eltern glaubten, dass ihre Therapeut:innen eher Partei für die andere Seite ergreifen.

“Eltern haben ihre Gründe, warum sie dysfunktional agieren”

Den Eltern müsse man mit umfassendem Verständnis für ihre eigene Situation begegnen, plädiert Michael Borg-Laufs. „Das jeweilige Elternteil hat ja ebenfalls eine Entwicklung durchlebt. Niemand ist mit einem schwierigen Charakter auf die Welt gekommen. Eltern haben ebenso ihre eigene Geschichte und ihre Gründe, warum sie dysfunktional agieren.“ Manchmal führe das zum Beispiel dazu, dass man im Laufe der Therapie des Kindes begleitend auch den Eltern zu einer Therapie rät. Denn die Eltern sind das wichtigste Bezugssystem von Kindern und Jugendlichen. „Je jünger ein Kind ist, desto enger muss man die Eltern mit einbinden. Umso zwingender ist es auch nötig, dass sich an der allgemeinen Situation etwas ändert. Das kann unter Umständen auch bedeuten, dass ein Kind den Lebensort wechseln muss. Mit Älteren hingegen kann ich ganz anders arbeiten und vieles erreichen, ohne gleich das ganze sie umgebende System mit einzubeziehen. Aber selbst bei älteren Jugendlichen oder jungen Erwachsenen hat die Beziehung zu den Eltern immer noch ein starkes Gewicht.“

Ob und wie man den Betroffenen helfen kann, sei von vielerlei Faktoren abhängig, so zum Beispiel von dem Alter der Klient:innen, den Eltern, den Ressourcen, die sie selbst haben, aber auch den Ressourcen und verlässlichen Bezugspersonen, die es zusätzlich in ihrem Leben gibt, Großeltern, Lehrer, Freunde zum Beispiel. Prinzipiell gebe es vier Grundbedürfnisse, denen die Eltern genügen sollen, damit ihr Kind stabil und gesund heranwächst: Das ist das Bedürfnis nach Bindung, das Bedürfnis nach Orientierung und Kontrolle, ein Bedürfnis nach Selbstwertschutz und das Bedürfnis nach Lustgewinn und Unlustvermeidung.“

“Auch diese Kinder haben ihre Chancen.”

Wie schwierig es dennoch ist, selbst wenn man um diese Grundbedürfnisse weiß, Kindern ein Aufwachsen unter möglichst funktionalen Bedingungen zu ermöglichen, zeigen auch die jüngsten Erfahrungen der Corona-Zeit. Auch wenn es Kinder gab, die die Nähe zu den Eltern und das Home-Schooling sogar entlastet habe, so ist die Zahl an Kindern mit ernsthaften psychischen Problemen um mehr als 50 Prozent angewachsen, wie aktuelle Studien nahelegen, sagt Michael Borg-Laufs. Daneben habe man aber auch erlebt, dass sich die häuslichen Probleme oftmals verstärkt haben und die üblichen Kontrollinstanzen wie Kita oder Schule, die sonst bei Auffälligkeiten oder möglichen Fällen von häuslicher Gewalt alarmieren könnten, ausgefallen seien. Trotzdem zeigt sich Professor Michael Borg-Laufs durchaus optimistisch: „Es handelt sich bei den mit der Pandemie aufgewachsenen Kindern und Jugendlichen nicht – wie manchen behaupten – um eine verlorene Generation. Auch diese Kinder haben ihre Chancen.“

Mehr bei GOLDKIND zu hören mit Professor Dr. Michael Borg-Laufs gibt es in unserem Podcast.

Professor Dr. Michael Borg-Laufs zum Thema Bindung.

Mehr zu lesen zu der These der psychischen Grundbedürfnissen von Kindern.

 

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