Der Weg zur Therapie: Wo und wie du schnell die Unterstützung findest, die du brauchst

Finde schnell passende therapeutische Hilfe mit unserer umfassenden Checkliste: Von akuten Krisensituationen über die richtige Kontaktaufnahme bis zu spezialisierten Unterstützungsangeboten. Erhalte praktische Tipps und Adressen für schnelle Hilfe bei psychischen Notfällen.

Inhaltsübersicht

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Wie akut ist deine Situation?

Welche Art Hilfe ist am besten bei deinem Problem? Diese Fragen muss man zuerst klären. Dazu gibt es meist ein Gespräch mit einer therapeutischen Fachperson, die dir bei einer Einschätzung hilft.


Oder ist es eine akute Krise?

 

Kinder und Jugendliche mit tieftraurigen Gefühlen und Gedanken können jederzeit den Notarzt anrufen unter 112. Jugendliche und Kinder, die tief verzweifelt sind, können sich außerdem an jede Notaufnahme eines Krankenhauses wenden. Diese hilft kompetent bei psychischen Notfällen weiter.

 

Es gibt auch spezielle Kliniken für Psychiatrie: Der medizinische Notdienst 116 117 sucht für die Anrufer:innen ihre sogenannte Sektorklinik heraus. Das sind die nächstgelegenen psychiatrischen Kliniken, die immer Plätze für Notfälle bereithalten müssen. Hier ist man bei einer Krise gut aufgehoben.

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Wenn Gewalt im Spiel ist

Gewalt ist überhaupt nicht in Ordnung. Schlagen, Treten, Ohrfeigen sind eine Straftat.

 

Da hilft immer und 24 Stunden rund um die Uhr die Polizei: Telefonnummer 110.

 

Es gibt viele weitere Menschen, die in diesem Fall zur Seite stehen können. 

Jemand in der Nähe vielleicht? Jemand, dem oder der man vertraut und wo man erst einmal das Herz ausschütten kann? Direkte Hilfe bieten der Kinderschutzbund oder das Jugendamt. Davon, dass man Kontakt aufgenommen hat, müssen die Eltern erst einmal gar nichts erfahren. Und keine Sorge, die Mitarbeiter:innen vom Jugendamt können jemanden nur aus deiner Familie in Obhut nehmen, wenn das der/die Betroffene selbst will.

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Du hast ein dringendes Problem und willst erst einmal nur reden?

Vielleicht kennst du jemanden, der dir direkt helfen kann. Eine Vertrauenslehrerin, der Coach, eine pädagogische Fachkraft, der Schulpsychologe etc.?

 

 

Wenn du keinem Menschen aus deinem direkten Umfeld Vertrauen schenken willst, kannst du dich immer bei GOLDKIND melden. 

 

 

Unsere Live-Chats stehen dir mehrmals die Woche hier zur Verfügung

Jeden Montag von 17:00 – 19:00 Uhr

Jeden Dienstag von 20:00 – 22:00 Uhr

Jeden Donnerstag von 15:00 – 17:00 Uhr

Du kannst dich auch bei der Nummer gegen Kummer melden.
Das Telefon für Kinder und Jugendliche erreichst du unter: 116 111.

 

Oder du rufst bei der Telefonseelsorge an: unter 0800/111 0 111 oder 0800/111 0 222

 

Unter dieser Nummer hilft das Beratungstelefon der Depressionshilfe: 0800/33 44 533

 

Wenn dein Problem nicht so dringend ist, du aber vielleicht eine Therapie machen möchtest, dann geht es weiter mit Schritt 4.

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Du brauchst einen Therapieplatz, um das Problem anzugehen?

Wenn du Probleme hast, die du langfristig lösen möchtest, und deshalb einen Therapieplatz suchst, dann gehst du einen anderen Weg. Wenn du das Alter von 15 Jahren erreicht hast, kannst du das ganz allein tun, ohne dass ein:e Erwachsene:r oder ein Elternteil dabei ist.

 

Um eine Therapie zu bekommen, brauchst du zunächst mal ein Erstgespräch mit einem/einer Therapeut:in. Das muss nicht unbedingt die Person sein, bei der du dann später eine Therapie machst. Aber hier wird deine Situation erst einmal genau gecheckt und dann entscheidet ihr, wie dein weiterer Hilfeweg aussieht. Das kann eine Therapie sein. Das muss es aber nicht. Manchmal helfen ein oder mehrere Gespräche mit einer Jugendberatung.

 

Vermittelt wird ein Erstgespräch über verschiedene Wege 

Hier sind ein paar Stellen, über die man eine nahe Erziehungsberatung finden kann

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Das Erstgespräch mit eine:n Therapeut:in

Im Erstgespräch (man sagt auch psychotherapeutische Sprechstunde) wird erst einmal dein Problem umrissen. Das bezahlt deine Krankenkasse. Das Gespräch führt ein:e approbierte:r Psycholog:in, Psychotherapeut:in oder Kinder- und Jugendpsychiater:in. Und dann stellt ihr fest, welche Therapie für dich die beste ist. Die gesetzliche Krankenkasse zahlt allerdings nur für Analytische Psychotherapie, Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, Verhaltenstherapie oder Systemische Therapie.


Eine Entscheidung, welche Art Therapie die beste ist, trifft die Person, mit der du das Erstgespräch hast. Allerdings gibt es ein paar Anhaltspunkte, wonach auch du unterscheiden kannst, was für dich besser passt: Wenn du nur ein Symptom oder ein Verhalten ändern möchtest (wie Angst vor Spinnen oder zwanghaftes Verhalten), dann brauchst du vielleicht eher eine Verhaltenstherapie und kannst einen anderen Umgang mit dem Problem üben. Wenn du generell etwas an der Art zu fühlen ändern möchtest, dann ist eine psychologisch fundierte Psychotherapie vielleicht eher das Richtige.


Am Ende des Erstgesprächs erhält man einen Befundbericht mit der Bezeichnung PVT11. Darin stehen die Ergebnisse des Gesprächs, welche Therapieform für den/die Patient:in geeignet ist und Empfehlungen für das weitere Vorgehen.


Wenn man nicht dort eine Therapie machen kann, wo das Erstgespräch war, muss man sich für die weitere Therapie eine neue Praxis suchen.

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Wo finde ich meinen endgültigen Therapieplatz? Und wer bezahlt den?

Hier gibt es Unterschiede, je nachdem, ob man privat oder gesetzlich versichert ist. Eine gesetzliche Krankenkasse übernimmt nur die Kosten, wenn du bei einer oder einem approbierten Therapeut:in deine Therapie machst. Dazu muss es eine Kassenzulassung in einem der vier wichtigsten Verfahren geben: Analytische Psychotherapie, Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, Verhaltenstherapie oder Systemische Therapie.

 

Meistens muss man länger suchen, denn wie schnell man jemanden findet, hängt sehr davon ab, wie viele Therapieplätze in der Nachbarschaft gerade offen sind. Erfahrungsgemäß sind das nicht viele, besonders, wenn man auf dem Land wohnt.

 

Zusätzlich gibt es in jedem Bundesland die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung (KV). Denen müssen Therapeut:innen ihre freien Plätze anbieten und auch freihalten, denn jede KV muss genügend Plätze ausweisen.

Bei privaten Krankenkassen ist das nicht so streng reglementiert. Hier reichen die Versicherten ihre Rechnungen ein. Das muss in der Regel über die Eltern laufen. Mit privaten Kliniken gibt es da meist einen direkten Vertrag, über die die Abrechnung läuft. Bei niedergelassenen Praxen gibt es auch welche, die nur privat versicherte Patient:innen versorgen.

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Die Therapie

Wenn du dann jemanden gefunden hast – vielleicht hast du sogar ein bis zwei Adressen zur Auswahl –, dann beginnt die eigentliche Therapiearbeit.

 

Aber man muss nicht bei dem/der Therapeut:in bleiben, wenn man mal eine oder einen gefunden hat. Ob dir effektiv geholfen werden kann, hängt davon ab, wie gut du mit dem Menschen gegenüber klarkommst. Es ist also wirklich ratsam, genau hinzuschauen, ob für dich alles passt. In der Regel gibt es deshalb erst einmal 3 bis 5 Sitzungen zum Ausprobieren, sogenannte „probatorische Sitzungen“. Diese zahlt die Krankenkasse.

 

Man kann auch bei mehreren Therapeut:innen probatorische Sitzungen absolvieren. Erst danach musst du entscheiden, ob ihr zusammen weitermachen wollt oder nicht.

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Was erwartet dich in der Therapie?

Dr. Michael Schulte-Markwort

Prof. Dr. med. Michael Schulte-Markwort beantwortet die häufigsten und wichtigsten Fragen rund um eine Therapie. Hier findest du die Antworten auf deine Fragen.  

Welche Therapieform ist für welches Problem die jeweils richtige und was erwartet einen bei der Therapie?

Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Therapie, die man hier quasi im Holzschnitt voneinander unterscheiden kann: Verhaltenstherapie oder tiefenpsychologische Psychotherapie.

 

Alle anderen Therapien, von denen man vielleicht mal gehört hat, sind eigentlich nur eine Ergänzung, also beispielsweise Musiktherapie, Traumatherapie, Familientherapie oder Kunsttherapie.

 

Allerdings landet man beim Erstgespräch im ambulanten Bereich eher zufällig bei eine:r Therapeut:in der einen oder anderen Fachrichtung. Es kann passieren, dass diese einem nicht sagen, dass man bei ihrer Fachrichtung vielleicht falsch liegt. Deswegen hilft es, sich vorher schon bewusst zu werden, was man ändern will.

 

Kurz gesagt, wenn ich anders handeln will, ist es Verhaltenstherapie, wenn ich anders fühlen und denken will, dann die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie. In den Kliniken gehen manchmal beide Therapieformen Hand in Hand, hier arbeiten die Expert:innen für die verschiedenen Fachrichtung enger zusammen und integrieren auch Methoden des anderen. Daneben sind auch die Kinderpsychiater:innen psychotherapeutisch tätig, sie arbeiten als Ärzte und Ärztinnen und dürfen deswegen auch Medikamente verschreiben.

Wie lange muss man sich für eine Therapie Zeit nehmen?

So lange, bis es besser wird.

 

Die Höchstgrenze bei der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie liegt bei 100 Stunden. Das sind in etwa drei Jahre Therapiezeit. Bei der Verhaltenstherapie geht es eventuell schneller. Manchmal kommt es bei der Behandlung auch zu einer Symptomverschiebung, dann reicht die Zeit vielleicht nicht aus.

Werden meine Eltern informiert?

In unseren Kliniken sind grundsätzlich die Eltern ab dem vierten Gespräch mit einem betroffenen Kind oder Jugendlichen dabei.

 

Ab einem Alter von 16 Jahren kommen wir allerdings in einen juristischen Graubereich. Die sorgeberechtigten Eltern sind für die medizinische Sorge zuständig, deshalb müssen wir theoretisch auch für die Medikation ein Einverständnis einholen.

 

Wir legen viel Wert darauf, die Eltern einzubeziehen. Das ist ein zentraler Aspekt, schließlich sind sie auch von der Situation betroffen. Aber wenn ein 16-jähriges Mädchen zunächst nicht möchte, dass die Eltern etwas von der Behandlung erfahren, dann weisen wir sie nicht ab. Dann arbeiten wir an dem Problem. Ganz klar ist das immer zuerst eine Rechtsgüterabwägung: Der Kinderschutz geht immer vor. Wenn also ein Kind mit der Aussage kommt: „Mein Vater schlägt mich jeden Tag“, dann wird vielleicht erst einmal nicht mit den Eltern gesprochen. Stattdessen wird das Jugendamt eingeweiht und man schaut, ob man das Kind aus Schutzgründen vielleicht sogar in der Klinik aufnehmen kann. Das Kindeswohl ist nach meiner intrinsischen Einschätzung höher zu bewerten als das Elternrecht.

Wie lange dauert es, bis man einen Therapieplatz bekommt?

Wenn man in der Region irgendwo anruft, kann es tatsächlich sein, dass man einen Termin erst in einem Jahr bekommt. 

 

Bei den privaten Kliniken sind wir derzeit bei drei Monaten. 

 

Die Unterversorgung ist dennoch sehr dramatisch. In meinen Augen ist so etwas unethisch. Nach wie vor ist es so, dass Kinder bei uns gesamtgesellschaftlich als nicht so wichtig angesehen werden. 

 

Die Kassenärztlichen Vereinigungen könnten mehr Plätze schaffen, aber das ist im Budget des Gesundheitssystem nicht vorgesehen. Wenn wir also mehr Kolleg:innen bekämen, müsste ein festes Gesamtbudget auf mehr niedergelassene Praxen aufgeteilt werden. Dagegen gibt es von den etablierten Praxen Widerstand, die bei diesen Entscheidungen befragt werden.

Was empfehlen Sie einem Kind oder Jugendlichen, der oder die einen Therapieplatz sucht?

Man sollte mehrere Wege gehen und sich nicht nur auf einen zu verlassen. Wenn es gut läuft, bekommt man ein bis zwei Termine bei eine:r Therapeut:in und schaut, ob man miteinander klarkommt.

 

Ich ermutige Kinder, genau hinzuschauen und auf ihr Bauchgefühl zu hören. Ein Kind weiß eigentlich immer sofort, ob es einen Menschen mag oder nicht. Bei uns muss niemand begründen, warum es vielleicht nicht geklappt hat. Ich sage den Kindern immer: „Wir sind komplett kränkungsresistent.“